Widerspruch Semesterticket 2.0

Mit Beitrag vom 13. Februar 2024 wurde bereits auf die Problematik des neuen Semestertickets hingewiesen. Mit Beitrag vom 4. April 2024 zusätzlich auf die besonders widrige Situation für Studierende mit Kindern.

Für das neue Semester findet Ihr hier ein neues, aktualisiertes Musterschreiben, wenn Ihr selbst über Eure Mobilität bestimmen wollt:

Musterschreiben Widerspruch unsolidarisches Semesterticket

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit widerspreche ich der Erhebung eines Pflichtbeitrages von 176,40 EUR für ein Deutschland-Semesterticket im Wintersemester 2024/25, und beantrage daher die Rückerstattung bzw. Befreiung hinsichtlich des Pflichtbeitrages.

Ein Pflichtbeitrag für den Personenverkehr kann nach dem Solidarmodell erhoben werden, wenn sich daraus eine deutlich günstigere Nutzungsmöglichkeit ergibt (BVerwG, 12.05.1999 – 6 C 14.98). Die Verwaltungsgerichte sind bislang beispielsweise davon ausgegangen, dass eine Preisersparnis von 64% oder 85% deutlich günstiger und der Pflichtbeitrag damit verhältnismäßig ist. Ob die hier erzielte Preisersparnis von gerade einmal 40% gegenüber einem deutschlandweit bei verschiedenen Unternehmen erhältlichen Deutschlandticket dafür ausreicht, kann bereits als fraglich betrachtet werden.

Hier in Leipzig stellt sich die Situation jedoch sogar deutlich schlechter dar. Für Inhaber des Leipzig-Passes ist ein monatlich kündbares Deutschlandticket für 29 EUR erhältlich. Anhand der aktuellsten Sozialerhebung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Hinblick auf die durchschnittlich verfügbaren monatlichen Einkommen und die ortsüblichen Mieten ist davon auszugehen, dass Studierende hier mehrheitlich einen Anspruch haben. Damit ergibt sich tatsächlich kein Vorteil, sondern ein Nachteil von 40 Cent monatlich gegenüber dem günstigsten konkurrierenden Nahverkehrsangebot durch die Erhebung des Pflichtbeitrages. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass durch eine Neuregelung der Anspruchsvoraussetzungen ein Teil der Studierenden ab Oktober 2024 keinen Leipzig-Pass mehr beantragen können. Eine Antragstellung ist bis September 2024 noch möglich, und berechtigt zum Bezug eines vergünstigten Deutschlandtickets für noch mindestens ein Jahr. Im Rahmen seiner Aufgabe zur wirtschaftlichen und sozialen Betreuung der Studierenden wäre das Studentenwerk dazu angehalten gewesen, Studierende auf die Möglichkeit der Ermäßigung und deren drohenden Wegfall hinzuweisen, damit diese rechtzeitig den Leipzig-Pass beantragen können. Soweit das Studentenwerk diese Information zurückgehalten hat und damit den Irrtum herbeigeführt oder aufrechterhalten hat, dass für das Deutschlandticket 49 EUR bezahlt werden müssten, so rechtfertigt dies nicht die zwangsweise Erhebung eines Beitrages für ein schlechter rabattiertes Ticket.

Ferner missachtet das Deutschland-Semesterticket die Aufgabe des Studentenwerks nach § 118 Abs. 4 Satz 2, wonach die Bedürfnisse von Studierenden mit Kindern besonders zu berücksichtigen sind. Im Gegensatz zum MDV-Semesterticket, das sogar zu einem günstigeren Preis erhältlich gewesen wäre, enthält das Deutschland-Semesterticket keine alltagstaugliche Kindermitnahme mehr. Eine Kindermitnahme enthalten auch die Deutschland-Semestertickets von anderen Studierendenschaften, die zuvor das MDV-Semesterticket genutzt hatten. Folglich ist davon auszugehen, dass eine Berücksichtigung der Bedürfnisse von Studierenden mit Kindern mit den vorhandenen finanziellen Mitteln möglich gewesen wäre, aber nicht stattfand. Damit liegt eine zweckwidrige Mittelverwendung vor.

Zudem widerspricht die Erhebung des Pflichtbeitrages der eigenen Begründung des Studentenwerks für das Solidarprinzip: “Davon profitieren alle Mitglieder der Solidargemeinschaft, in besonderem Maße jedoch die Studierenden, die mehr als andere auf die Inanspruchnahme sozialer Unterstützungsleistungen angewiesen sind.” ([1]) Das hier umgesetzte Modell verlangt von Studierenden, die mehr als andere auf die Inanspruchnahme sozialer Unterstützungsleistungen angewiesen sind, eine Zusatzbelastung von 40 Cent ohne Gegenleistung in Kauf zu nehmen, um diejenigen Studierenden profitieren zu lassen, die nicht auf die Inanspruchnahme sozialer Unterstützungsleistungen angewiesen sind. Studierende mit Kindern als weitere Gruppe mit mehr Unterstützungsbedarf wird ebenfalls nicht mehr unterstützt. Gleichfalls unzutreffend ist die ebenfalls dort zu findende Aussage: “Mehr Beitragsbefreiungen würden also zu einer Erhöhung des zu leistenden Beitrages pro Studierendem [...] führen.” Der Preis für das Deutschland-Semesterticket ist gesetzlich fixiert auf 60% des Deutschlandtickets zum Vollpreis, so dass eine Erhöhung des zu leistenden Beitrages nicht von den Regelungen des Studentenwerks abhängt. Ein Eingriff in die Handlungsfreiheit der Studierenden, hier geschehen durch einen hohen Pflichtbeitrag, erfordert jedoch eine Begründung. Da bisher gegebene Begründung hier nicht zutrifft, wäre es in jedem Falle erforderlich, dass die Pflicht zur Beitragszahlung für eine anderswo günstiger erhältliche Leistung nach verwaltungsrechtlichen Maßstäben begründet wird.

Letztlich ist der Pflichtbeitrag auch deswegen zu beanstanden, weil das Deutschland-Semesterticket als gegenüberstehende Leistung nur abhängig von einer Datenweitergabe an Verkehrsunternehmen erbracht werden kann. Diese Datenweitergabe ist ab 1. Januar 2025 auf Grundlage von § 15 Abs. 5 SächsHSG möglich. Bis dahin fehlt es noch an einer Rechtsgrundlage, da der Sächsische Landtag sich nicht auf ein früheres Inkrafttreten geeinigt hat. Damit wäre eine rechtskonforme Nutzung erst in der zweiten Hälfte des Semesters möglich. Für gezahlte Beiträge haben Studierende aber einen Anspruch auf eine rechtlich einwandfreie Leistung.

Nach alledem ist der Pflichtbeitrag für ein Deutschland-Semesterticket im Wintersemester weder ausreichend begründet noch verhältnismäßig, missachtet die Zweckbestimmung des Studentenwerks, und ermöglicht keine rechtlich einwandfreie Leistung. Er ist daher abzulehnen.

Mit freundlichen Grüßen

studierende Person

[1] https://www.studentenwerk-leipzig.de/solidarprinzip/

Und ab die Post

Das Ganze kann auch dieses Semester an das Rechnungswesen des Studentenwerks geschickt werden.

#usl #leipzig #deutschlandticket #semesterticket #solidarprinzip #datenschutz #studierenmitkind