Unabhängige Studierende Leipzig

deutschlandsemesterticket

Unter dem Banner #studentenwerkeretten rühren derzeit allen voran die sächsischen Studierendenwerke die Werbetrommel dafür, ihnen mehr Haushaltsmittel zuzuweisen. Wer würde da nicht zustimmen wollen, wenn es darum geht, ein Studium bezahlbar zu halten? Aber Moment, Anstalten öffentlichen Rechts, die mit vielen Steuergeldern gerettet werden sollten, gab es das nicht schonmal?

In der Tat, prominente Protagonisten der beispiellosen #bankenrettung waren die Landesbanken. Diese hatten nach und nach begonnen, sich mit unklarem Bezug zu ihrem öffentlichen Auftrag in riskante Geschäfte zu verstricken, und taten sich zudem durch Intransparenz hervor, so dass unklar bleibt, ob die Rettung mit Steuergeld wirklich die beste Alternative war. Trotzdem wurden zweistellige Milliardenbeträge für deren Rettung eingesetzt.

Schaut man auf die sächsischen Studierendenwerke, drängen sich Parallelen durchaus auf. Aufgabe laut § 118 Abs. 4 SächsHSG wäre vor allem der Betrieb von Mensen und Wohnheimen, aber auch die Förderung von ausländischen Studierenden, Studierenden mit chronischen Krankheiten, mit Kindern oder mit Behinderungen. Mit der Zeit haben die Studierendenwerke aber erkannt, dass man auch andere Betätigungen versuchen kann, wenn man Entscheidungen für häufig gleich eine fünfstellige Zahl Personen treffen kann. Gleich mehrfach tat sich etwa das Studentenwerk #leipzig damit hervor, seine Position für die Etablierung sogenannter “App-Zwänge” zu nutzen, bei der Leistungen davon abhängig gemacht werden, dass die Studierenden eine (oft nur mit Konto bei einem US-Unternehmen erhältliche) Smartphone-App installieren. So entschied man sich, offiziell vor Ökologiegesichtspunkten, dafür, Mehrwegbehälter anzubieten. Das aber nicht etwa mit dem in Leipzig bereits bei verschiedenen Gastronomen bewährten System von RECUP/REBOWL, das zu Synergieeffekten durch ein engmaschiges Netz an Rückgabemöglichkeiten und geringen Transportwegen hätte führen können. Vielmehr wurde ein bis dahin vor Ort noch überhaupt nicht vertretenes System RELEVO verpflichtet, mit der Vorteil eines Systemanbieters mangels anderer teilnehmender Gastronomen zunächst völlig wegfiel, und für die Nutzung ein Smartphone mit App und Konto vorausgesetzt wurde, obwohl der Dienstleister auch ein Offline-Lösung anbietet. Ob das noch in die Zuständigkeit fällt, weil man das System in den Mensen anbietet, darüber könnte man sich streiten. Eine Abkehr vom gesetzlichen Dienstleistungsauftrag gegenüber den Studierenden könnte man aber durchaus darin sehen, nachdem das System für einen Teil der Studierenden nicht nutzbar ist, und für weitere zu umständlich ist, so dass man sich eher eigene Behälter mitbringt oder den Kaffee im Pappbecher beim Discounter um die Ecke holt. Völlig abseits von der Zuständigkeit ist aber das schon länger zu beobachtende Engagement beim #semesterticket. Dieses fällt in Sachsen nach § 25 Abs. 3 Nr. 6 SächsHSG in die Zuständigkeit der Studierendenschaften. Dass in Leipzig stattdessen das Studentenwerk das Semesterticket aushandelt, bedeutet nicht nur Aufwand, den man stattdessen für den gesetzlichen Auftrag der Mensen und Wohnheime treiben könnte. Es wirkt sich am Ende sogar nachteilig für die Studierenden aus. Als die Möglichkeit der Deutschlandticket-Upgrades geschaffen wurde, handelte das Studentenwerk wiederum eine Lösung aus, die Studierende nur noch mit einer Smartphone-App nutzen konnten, während der Dienstleister allen anderen Kunden automatisch eine Chipkarte bereitstellte. Und bei der Umstellung auf das #deutschlandsemesterticket erhielten die Studierenden in Leipzig als einzigem Hochschulstandort unter denen, die zuvor das MDV-Semesterticket nutzten, ein Semesterticket ohne die bisherigen Mitnahmeregelungen. An den anderen MDV-Hochschulstandorte konnten die Studierenden ihr Semesterticket noch selbst aushandeln, und vertraten dabei die Interessen der Studierenden derart, dass die in Leipzig in Kauf genommenen Nachteile ausblieben.

Aber auch in den Bereichen, in denen die Studierendenwerke tatsächlich zuständig sind, bleiben große Fragezeichen. Bei nicht gewinnorientiert wirtschaftenden Studierendenwerken, die staatlich noch bezuschusst werden, sollte man eigentlich davon ausgehen, dass diese den privaten Wohnungsmarkt preislich unterbieten können. Stattdessen sind die Zimmer teurer als privat organisierte WG-Zimmer. Wegen fehlender #transparenz bleibt hier ungeklärt, woran es liegt.

Intransparenz scheint auch bei den Studierendenwerken ein systemisches Problem zu sein. Transparenzanfragen werden entweder jahrelang überhaupt nicht beantwortet, oder wesentliche Informationen werden Anfragestellenden vorenthalten.

Im Ergebnis gibt es erstaunliche Parallelen zu den Landesbanken sowohl was die kreative Geschäftstätigkeit abseits vom öffentlichen Auftrag angeht, als auch was die fehlende Transparenz angeht. Völlig unklar bleibt, ob die laut geforderte Zuweisung von mehr Haushaltsmitteln die beste Lösung wäre, und wie viel von dem Geld dann tatsächlich bei den Studierenden ankäme. Vielleicht wäre es nicht nur sparsamer für die ohnehin knappen Haushalte, sondern würde auch den Bedürfnissen der Studierenden eher gerecht, wenn man nachdrücklicher mehr Transparenz einfordern würde, oder ggf. auch unter Einbeziehung des Rechnungshofes sicherstellen würde, dass die Studierendenwerke zunächst zu ihren Kernaufgaben zurückfinden.

#usl #hochschulpolitik #appzwang #sachsen