Das Deutschlandticket und die informationelle Selbstbestimmung

Während sich an einigen Hochschulen, die ihr Semesterticket auf das Deutschlandticket umgestellt haben, die Studierenden zu Recht wundern, wieso sie eine (oft dazu nur in App-Stores von Konzernen in Drittstaaten verfügbare) Smartphone-App installieren müssen, obwohl die Hochschule schon vorher eine Campus-Karte nach dem eTicket-Standard der VDV bereitstellte, die man dafür einfach hätte nutzen können, kommt an der Uni Leipzig der Digitalzwang tatsächlich erstmals durch das Deutschlandticket:

Die bisher gängigen Semestertickets (MDV-Semesterticket, vorher auch einmal LVB-Sockelticket) konnten einfach per Sichtkontrolle mit der Campus-Karte überprüft werden. Nichts musste gescannt oder eingelesen werden. Insofern ist es hier ein Novum, dass das Semesterticket, das immerhin den Bärenanteil des semesterweise zu bezahlenden Beitrags umfasst, nur noch genutzt werden kann, wenn man auch in zusätzliche Datenverarbeitungen “einwilligt”.

Ist das kleinlich? Die Frage kann man sich in Zeiten, in denen z.B. die elektronische Gesundheitskarte zeigt, dass medizinische Versorgung auch an Datenverarbeitung gekoppelt wird, natürlich stellen. Trotzdem scheint es bei manchen Detailfragen, als ob man sich über die Folgen jedenfalls nicht wirklich Gedanken gemacht hat:

So hatte sich die Hochschule erst 2021 insoweit zur Selbstbestimmung bekannt, dass auch vor dem Durchlaufen des oftmals bürokratischen Prozesses zur amtlichen Namensänderung der von Studierenden gewünschte Name bereits im Hochschulkontext geführt werden kann und daher auch auf die Campus-Karte gedruckt werden kann. Studierende waren jedenfalls im Hochschulkontext nicht mehr dazu gezwungen, einen Namen, mit dem sie sich nicht (mehr) identifizieren, weiter führen und preisgeben zu müssen. Mit dem zwingend digitalen Deutschlandticket ist damit nun jedenfalls auf dem Weg zur Hochschule Schluss. Der Vertragspartner, den sich das Studentenwerk ausgesucht hat, verlangt zwingend eine Verknüpfung mit dem amtlichen Namen auf dem Ausweisdokument, der auch z.B. in der ausgegebenen Chipkarte gespeichert wird und bei Kontrollen dann abgeglichen werden kann. Für die Personen, die auf die von der Hochschule gewährleistete Selbstbestimmung Wert gelegt haben, insofern ein Rückschritt. Und da es Personen gibt, die sich in Zeiten von Ungereimtheiten beim universitären Identitätsmanagement im Zusammenhang mit Namensänderungen davor gescheut haben, entsprechende digitale Dienste der Hochschule zu nutzen, da dann ein Name an Dritte preisgegeben worden wäre, den sie nicht (mehr) führen möchten, stellt sich die Frage, wie diese nun mit dem neuen Semesterticket umgehen sollen, bzw. ob die Nutzung des Nahverkehrs für diese noch zumutbar ist.

Zudem dürfte es in der Praxis mitunter schwierig sein, Betroffenenrechte geltend zu machen, wenn man z.B. den Überblick darüber behalten möchte, was mit den personenbezogenen Daten bei einer Fahrausweiskontrolle geschieht. Jedenfalls sieht man es in der Praxis eher selten, dass Personen, die Fahrausweiskontrollen durchführen, vorher die für den Datenschutz verantwortliche Person benennen. Im Gegenteil beobachtet man hier eher zeitlich gedrängtes Vorgehen, und Personal, das eher genervt denn hilfsbereit reagiert, wenn man solche Fragen vorab klären möchte.

Solange man das Deutschlandticket als Maßstab nimmt, mag all dies normal erscheinen, da die digitale Umsetzung hier Vorgabe der Bundesregierung war. Bezogen auf das Semesterticket und dessen ursprünglichen Zweck, Mobilität im Hochschulalltag zu sichern, sieht es aber anders aus. Hier kann man sich durchaus die Frage stellen, was das mit Datensparsamkeit zu tun hat, da der Zweck auch vom MDV-Semesterticket ganz ohne undurchsichtige Datenverarbeitung erfüllt wurde.

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